Vor 70 Jahren wurde Perchtoldsdorf wieder eine eigene Gemeinde

Perchtoldsdorf: Am 1. September 1954 wurde Perchtoldsdorf zusammen mit 79 anderen Gemeinden, die im Anschlussjahr 1938 an Wien, 25. Bezirk, angegliedert worden waren, wieder dem Bundesland Niederösterreich einverleibt. Perchtoldsdorf wurde wieder zur selbstständigen Gemeinde erklärt und der bisherige Ortsvorsteher Franz Kamtner zum Bürgermeister der provisorischen Gemeindevertretung gewählt. 

Die Wienergasse in den 1950er Jahren, Foto: Gemeindearchiv

Je acht Mandate hatten die SPÖ und die ÖVP, zwei die Wahlpartei der Unabhängigen, Vorläufer der FPÖ, und eines die Kommunisten und Linkssozialisten. An Personalressourcen gab es damals nur eine Beamtin. Eine Überbrückungshilfe des Landes in der Höhe von 1 Million Schilling ermöglichte den Beginn des Aufbaus einer Verwaltung. Diese erste provisorische Gemeindevertretung dauerte nur bis zum 23. April 1955.

Bestrebungen der Politik, dass Perchtoldsdorf wieder eine selbstständige Gemeinde wird, gab es schon ab 1945. Diese Bestrebungen scheiterten am Alliiertenrat. Im Juni 1954 genehmigte dieser Rat das Gebietsänderungsgesetz, das eine Rückkehr der Randgemeinden nach Niederösterreich vorsah. 

Begeisterung in der Bevölkerung löste diese Nachricht in Perchtoldsdorf nicht aus. Die Ortsbevölkerung hatte die Vorzüge der Zugehörigkeit zur Großstadt schätzen gelernt und es überwog damals die Ansicht, dass Probleme des öffentlichen Verkehrs, der Versorgung mit Wasser, Gas und Energie, des Straßen- und Wohnbaus besser im Rahmen der Großgemeinde Wien zu lösen seien als im Verbund mit dem Land Niederösterreich. Eine am 29. August 1954 durchgeführte Volksbefragung ergab ein klares Votum für den Verbleib bei der Gemeinde Wien. Bei der Wahlbeteiligung von 58,7 % votierten 4.754 Bürger für die Zugehörigkeit zu Wien und nur 230 für eine selbstständige Gemeinde. Aus diesem Grund gab es auch keinerlei Feierlichkeiten zu diesem Ereignis. Ganz anders 1955: Da wurde eine „Befreiungsfeier“ von der Gemeinde organisiert. 

Zeitzeuge Hofrat Mag. Anton Plessl (82), das älteste noch aktive Mitglied des Perchtoldsdorfer Gemeinderats

In seiner Rede zu 20 Jahre wiedererrichtete Gemeinde Perchtoldsdorf 1974 wies der damalige Kulturreferent und spätere Bürgermeister Paul Katzberger auf die Problematik hin und meinte, dass die von Dr. Julius Bergmann entwickelte Ortsidee „Perchtoldsdorf – die Stätte der Erholung“ wesentlich dazu beigetragen habe, das Bekenntnis aller Bürger zur neuen selbstständigen Gemeinde zu stärken. Diese Ortsidee wurde später durch „Lebe das Dorf“ ersetzt.

Im Sinne dieser Ortsidee wurde allerdings die Schaffung von Bauland/Betriebsgebiet vernachlässigt. Die Forderung der damaligen SPÖ nach Schaffung von Arbeitsplätzen wurde mit dem Hinweis auf die geltende Ortsidee abgelehnt. Im Bereich südlich der Mühlgasse und östlich der Bahn wurde Bauland-Betriebsgebiet geschaffen, aber in unmittelbarer Nähe auch Einfamilienhäuser. Dies führt jetzt zu Konflikten, wenn das wenige noch vorhandene Bauland für die Errichtung von Betrieben verwendet wird. 

2014 wurde zur Erinnerung an die Erlangung der Selbstständigkeit ein kleines Denkmal von der Gemeindevertretung übergeben.  

Hofrat Mag. Anton Plessl, Bewegung der Generationen

(Dieser Beitrag von Hofrat Mag. Anton Plessl erschien in der aktuellen Print-Ausgabe von noe24)