Perchtoldsdorf: Zweimal musste der alte Burgfestsaal erweitert werden, und zum Schluss fanden trotzdem nicht alle einen Sitzplatz. Riesengroß war das Interesse der Perchtoldsdorfer Bevölkerung am Infoabend rund um die Perchtoldsdorfer Heurigengeschichte. Anlass: Die 240. Wiederkehr der am 17. August 1784 von Kaiser Joseph II. erlassenen Buschenschankverordnung. Dies hatte Dr. Gregor Gatscher-Riedl (Ortsarchivar) und Weinhauer Leopold Wurth (Archivar des Weinbauvereins), der moderierte, zu dieser äußerst gelungenen Veranstaltung angeregt. Ein Abend voller interessanter Geschichtskunde, jeder Menge lustiger aber wahrer Anekdoten und viel Musik. Die Hauerkapelle Perchtoldsdorf spielte zwischen jedem Wortblock den jeweiligen Hausmarsch der Weinhauer.
Der Historiker Univ. Prof. Dr. Ferdinand Opll, ehemaliger Leiter des Wiener Stadtarchivs, machte den Anfang und referierte über die Geschichte des Weinbaus, zurückgehend bis ins 9. Jahrhundert v. Chr. mit Funden von Weinkörnern im Marchfeld, über Kaiser Probus (277 n. Chr.) bis zur Reblausplage im 19. Jahrhundert, die 38 Prozent der Perchtoldsdorfer Weinbauflächen vernichtet hat.
Weinhauer Erwin Sommerbauer hatte dann zur großen Erheiterung des Publikums etliche Anekdoten auf Lager. Von Nägeln unter den Autoreifen von Gästen, wenn diese kein Trinkgeld gaben, über falsche Zähne von betrunkenen Gästen, die ins Klo gefallen waren und von der Sommerbauer Oma gewaschen wieder zurückerstattet wurden, bis zum Oberförster, dem man bei der Abrechnung zwei Seifen dazugerechnet hat, die er vorher am Klo gestohlen hatte. “Ein Gast hat einen Liter Roten bestellt und zu mir gesagt: Herr Erwin, dort im Zimmer, wo die schiachste Frau sitzt, das ist meine, dort stellen S’ den Wein hin.”
Erwin Sommerbauer erinnerte auch an den berühmten Stammgast Hans Moser. “Mein Vater hat die Birne aus der Lampe herausgeschraubt, damit den Moser niemand sah, weil der wollte unbedingt anonym bleiben.”
Auch Weinhauer Karl Brodl hatte Spannendes zu erzählen. Etwa, als bei ihm im Heurigen einmal die Schmutzer Buam, berühmte Wiener Unterweltler, mit ihren Leibwächtern (Buckeln) auftauchten, sehr gute und angenehme Gäste waren und dem Hausherrn sogar zur Seite standen, als ein aufmüpfiger Gast auf Coca Cola bestand, das es aber beim Heurigen nicht gab. “Karl, soll ich ihn Dir außeschießn?”, fragte einer der Leibwächter. Brodl erzählte davon, dass es in den 60er Jahren keine Seltenheit war, wenn Gäste 12 Vierteln Wein tranken, bisweilen besoffen auf den Boden knallten und den herbeigerufenen Sanitätern das Götzzitat hießen, weil diese helfen wollten.
Architekt Erich Forstner, einer der Gäste im Publikum, trat nach vorne und erzählte, wie er einmal mit einer privaten Freundesrunde zum Brodl gehen wollte, dort aber bei der telefonischen Reservierung keinen Platz mehr bekam. Daraufhin rief er nochmals an und stellte sich unter falschem Namen als Kritiker des Magazins Falstaff vor, der vorbeikommen wolle. Und schon klappte es mit den Plätzen.
Zum Schluss der Veranstaltung in der Burg interviewte Moderator Leopold Wurth die Vertreter der jungen Hauergeneration Christiane Distl, Franz Breitenecker und Karl Wölflinger. Sie berichteten von ihrer profunden Ausbildung in den Weinbauschulen, vom gestiegenen Anspruch der Gäste bezüglich der Weinqualität und gaben einen optimistischen Ausblick auf die Zukunft der Heurigen. Franz Breitenecker sagte, dass auf Grund der Klimaveränderung eines Tages der Grüne Veltliner, Österreichs meist angebaute Weinsorte, verschwinden werde und stattdessen neue Weinsorten entstünden. Diese gebe es zum Teil schon jetzt und man solle sich nicht scheuen, sie zu verkosten.
Resümee: Ein wunderbarer Abend, an dem viel gelacht wurde, aber wo man auch viel Interessantes aus der Vergangenheit erfuhr und wie die Zukunft des Weinbaus und der Heurigen aussehen könnte.